KATJA BERGER

 


by Verena Konrad

Katja Bergers artistic biography was initiated by a strong interest in photography, which she has been intensively pursuing from the very beginning. Apart from her extensive, deep studies of analog photography, she additionally starts to devote herself to painting and calligraphy in the 2000s.
By means of a combination of those 3 elements of creative dedication the autodidactic artist develops her very unique approach of artistically self-expression, which is characterized by a pastose color application, strong colors, swinging lines and a flowing expressive style. Her motives derive from a collective memory of images from European art.
In her collages she collects visual statements from cultural history, history of art, fashion, trash, culture of daily life and adds on typographic elements placed in the background or forefront in order to accentuate or negate the proposition of her artwork.
Therefore the collage as such is not a completely new tool for Katja Bergers artistic expression. However in the past collages were applied as integral parts in her compositions only, whereas lately they are transforming into independent pieces of art by themselves.
Hannah Höch, known as the pioneer of modern art and mastermind of the photo-collage, commented on this evolving way of picture production and language in the 20th century as following: “I try to exploit the photo”.
The collages of Katja Berger follow this role model from the aesthetic point of view. Scissors turn into the most important tool of the artist. Book covers and collected picture material, partly from her own photo production, transport her statements. Texts and pictures correlate, form new messages, create controversy and may stimulate revolutionary mental leaps in the eye of the observers.
Katja Berger collects newspapers, photos, old books and starts to clip and rearrange them to create and build up new artworks – desynchronizations of town portraits, socio-historical papers, fashion reports, typographies. The industrial aesthetics of the respective age reunite with figurines taken out of scale and context. Completely innovative constructs emerge, generating versatile social questions on topics such as life, survival, the position of human beings in their ambience and the human norm.


von Verena Konrad

Katja Bergers künstlerische Biographie beginnt mit einem Interesse für Fotografie, dem sie schon früh nachgeht. Zur Beschäftigung mit analoger Fotografie kommen in den 2000er Jahren Malerei und Kalligraphie dazu. Aus diesen drei Elementen entwickelt die freischaffende Künstlerin autodidakt eine eigene Bildsprache, die geleitet ist von einem expressiven Duktus, pastosem Farbauftrag, kräftigen Farben, schwungvollen Linien. Ihre Motive stammen aus dem kollektiven Bildgedächtnis europäischer Kultur. Über die Collage sammelt sie visuelle Statements aus Kultur- und Kunstgeschichte, Mode, Trash und Alltagskultur und versetzt diese mit typografischen Elementen, die manchmal im Hintergrund, manchmal im Vordergrund platziert werden um die Bildaussage so zu unterstreichen oder aber auch zu kontrastieren.
Neu ist die Collage in Katja Bergers Arbeit also nicht. War sie bisher Teil von Bildkompositionen, so wird sie nun eigenständig. „Ich versuche das Foto auszubeuten“ hat Hannah Höch, Pionierin der Moderne und Meisterin der Fotocollage, einer damals zu Beginn des 20. Jahrhunderts völlig neuen Form der Bildproduktion- und sprache, einmal formuliert. Die Klebebilder von Katja Berger folgen zumindest ästhetisch diesem Vorbild. Die Schere wird zum wichtigsten Werkzeug, Buchdeckel und gefundenes Bildmaterial, teils aus eigener Fotoproduktion, tragen Bildaussagen in sich. Text und Bild korrelieren, formen neue Aussagen, widersprechen sich auch manchmal, regen immer zu neuen Gedankensprüngen an.
Katja Berger sammelt Zeitungen, Fotos, alte Bücher und beginnt diese auszuschneiden, neu anzuordnen und so Bilder aufzubauen – Versatzstücke aus Stadtportraits, soziohistorischen Abhandlungen, Modestrecken und Typografie. Industrieästhetik der jeweiligen Zeit, trifft auf im Maßstab verzerrte Figuren aus ganz anderen Kontexten. Was dadurch entsteht, sind völlig neue Konstrukte, die gesellschatliche Fragestellungen aufreißen: nach dem guten Leben, dem Überleben, dem Platz von Menschen in ihrer Umgebung, dem menschlichen Maßstab.

von Anne Avramut

Katja Bergers Malerei entfaltet eine visuelle Sprache, in der menschliche Nähe, emotionale Zustände und soziale Rollen zu erzählerischen Situationen konfiguriert werden. Ihre Figuren bewegen sich in klar definierten Bildräumen, die zugleich Offenheit erzeugen. Die Kompositionen entstehen aus einem Gleichgewicht von Linie und Fläche, aus der genauen Abstimmung von Farbe und Blick: nichts bleibt beiläufig, jede Geste, jede Positionierung besitzt ein psychologisches Gewicht.

Bergers Figuren erscheinen reduziert und zugleich lebendig. Sie entwickelt ihre Gestalten aus einer präzisen Beobachtung von Beziehung, Zärtlichkeit, Macht, Verletzbarkeit und gegenseitiger Abhängigkeit. Zwischenmenschliche Dynamiken werden zu stillen Dramaturgien, die in den Raum einer emotionalen Topografie übergehen. Ihre Bilder formulieren Zustände des Daseins: Fürsorge, Nähe, Gleichgewicht, Spannung, Begierde. Diese Erfahrungen bringt Katja Berger durch Farbe und Komposition in sichtbare Form.

Die Flächen ihrer Bilder tragen einen malerischen Rhythmus, der auf Reduktion und Genauigkeit beruht. Jede Arbeit entwickelt sich aus einem feinen Gleichmaß von Ruhe und Intensität. Der Pinselduktus bleibt klar, die Farbwahl bewusst begrenzt, wodurch eine eigene, fast ikonische Bildsprache entsteht. Figuren, Tiere und Objekte bilden gemeinsame Choreografien, in denen Affekte und Gedanken ineinandergreifen. Sprache und Bild, Erinnerung und Gegenwart verschränken sich in dieser Malerei zu einer stillen, nie bis zur letzten Konsequenz gedachten Erzählung.

Berger greift auf Motive aus alltäglichen, intimen und zugleich archetypischen Situationen zurück. Das Gespräch, der Moment des Berührens, das gemeinsame Mahl, der Blick in die Augen: in diesen Gesten liegt eine existentielle Dimension. Sie untersucht, wie Identität in Beziehung entsteht, wie menschliche Präsenz sich im Gegenüber definiert. Die Figuren bleiben erkennbar, doch nie vollständig lesbar; sie tragen eine Unbestimmtheit, die Offenheit schafft.

Ihre Bildwelt verbindet erzählerische Direktheit mit psychischer Tiefe. Menschliche Erfahrung erscheint als visuelles Gewebe aus Wiederholung, Erinnerung und Affekt. Die Szenen wirken vertraut, ohne konkret zu werden. In ihnen öffnet sich eine Erfahrung des Gemeinsamen, die von leisen Spannungen getragen ist. Malerei wird hier zu einem Medium der Beziehung,  als Prozess, der zwischen Wahrnehmung und Empfindung vermittelt.

Katja Bergers Malerei steht in einer Linie von Künstlerinnen, die das Verhältnis von Wahrnehmung, Empfindung und Darstellung in die Gegenwart überführt haben. In der konzentrierten Ruhe ihrer Bilder verbindet sich die psychologische Präzision Marlene Dumas’ mit der erzählerischen Sensibilität von Paula Rego. Beide Stränge, das emotionale Denken der Farbe und das visuelle Erzählen menschlicher Beziehungen, finden in ihrem Werk eine eigenständige Form.

In den Porträts und Szenen Chantal Joffes spiegelt sich eine Direktheit, die den Blick als zwischenmenschliche Handlung versteht. Berger entwickelt aus diesem Gedanken eine stillere Form der Intensität. Ihre Figuren treten in Beziehung, ohne dramatisch zu werden. Der Raum, den sie bewohnen, entsteht aus Blickachsen und ruhiger  Gestik

Caroline Walkers Arbeiten untersuchen soziale und intime Räume durch Licht und Struktur. Bei Berger wird dieser Raum zur inneren Zone des Bildes. Die Architektur entsteht durch Farbe, durch die Nähe der Körper, durch minimale Übergänge während die psychische Spannung der Szene bestehen bleibt.

Im weiteren Feld der europäischen Malerei lässt sich Bergers Position als Fortführung jener Strömung lesen, die Empfindung als formale Intelligenz begreift. Künstlerinnen wie Miriam Cahn oder Maria Lassnig haben den Körper als Ort der Erkenntnis eingeführt; Berger setzt dieses Denken in eine neue malerische Sprache um. Ihre Bilder formulieren Beziehung als Erfahrung, die zugleich individuell und kollektiv bleibt.

Die Stärke ihrer Arbeit liegt in der Klarheit der Form. Sie baut Kompositionen, die psychische Komplexität tragen, ohne sie zu illustrieren. Berger führt die Figuration an einen Punkt, an dem Wahrnehmung und Form untrennbar ineinander greifen.